Immobilienpreise steigen : Jetzt wird die Provinz teuer
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Immobilienpreise steigen : Jetzt wird die Provinz teuer
Mücheln 10.08.2021. Entgegen dem Trend der letzten 10 Jahre hat ein Run auf Immobilien begonnen. Selbst in weit abgelegenen Regionen werden Steigerungen der Immobilienpreise um 40 Prozent verzeichnet. Angeheizt durch die nun schon mehrere Jahre andauernde Niedrigzinspolitik und nun in Voraussicht des Durchschlagens der Corona-Krise auf Wirtschaft und den künftigen Wert des Euro wird der Immobilienmarkt von vielen langjährig erfahrenen Maklern als „absolut durchgeknallt“ beschrieben. Aus weit entfernten Regionen stammende Käufer konkurrieren mit Einheimischen um Häuser.
Die Flucht in das „Betongold“ hat die ländliche Provinz erreicht. Laut einer Auswertung des Forschungsinstitutes Empirica hat sich für Häuser in Regionen, die selbst 2 Stunden Fahrzeit von der nächsten Metropole entfernt liegen der Kaufpreis innerhalb der letzten 4 Jahren um durchschnittlich 30-40% verteuert. |
Mit einem solchen Turn hat niemand gerechnet. Der weltweite Trend, dass die Ballungsräume wachsen und die Preisspirale dort unaufhörlich aufwärts dreht , während die Provinz mit Wegzug, Leerstand und Wertverfall zu kämpfen hat scheint sich in ganz Nordeuropa zu drehen. Denn immer mehr werden Grundstücke nicht nur in Großstädten, sondern auch in ihren sogenannten Speckgürteln rar. Im Leipziger Umkreis haben sich Grundstückspreise in den letzten 10 Jahre verdreifacht. Grund genug, dass Käufer nun in abgelegene Dörfer und Kleinstädte ausweichen. Während ein gebrauchtes Haus in Leipzig nicht selten eine halbe Million Euro kostet, wird es im Saalekreis im Durchschnitt für 180.000 Euro angeboten. „Die COVID-Krise hat den Drang von Familien verstärkt, sich eine andere Form von Lebensqualität ausserhalb dicht besiedelter Räume in Form von Haus und Garten zu erfüllen. Homeoffice macht Dank Digitalisierung Fahrten ins Büro obsolet“, sind die neuesten Statements von Immobilienökonomen und Zukunftsforschern.
Das Ende der Landflucht ?
Neue Statistiken belegen mittlerweile: Bei 30- bis 50jährigen mit ihren Kindern geht der Trend aufs Land zu ziehen. Nur die Jüngeren wandern noch in die großen Städte ab. Sogar bisher „abgehängte“ Regionen wie das Mansfelder Land in Sachsen-Anhalt, die Eifel in Rheinland-Pfalz oder die Brandenburger Prignitz verzeichnen Bevölkerungszuwächse, während z.B. Berlin im Jahr 2020 erstmalig seit 15 Jahren wieder schrumpft.
Und auch ein völlig neues Phänomen lässt sich erkennen. Nicht nur Familien, zieht es vermehrt in den ländlichen Raum. Seit Jahren gibt es einen Trend zu Zweitwohnsitzen die sich nicht an stark frequentierten touristischen Zentren an der Küste, großen Binnenseen oder in den Bergen befinden. Und Dank der fortschreitenden Digitalisierung lockt das Land zunehmend Großstädter an, welche in größeren Immobilien gemeinschaftlich wohnen und arbeiten wollen – Projekte, die man bisher nur aus Metropolen kannte.
Aber es sind nicht nur die noch günstigen Preise, die auf dem Land locken. Die derzeit auf Rekordniveau niedrigen Zinsen und der daraus resultierende Mangel an attraktiven Anlage-Alternativen , treiben den Immobilienboom. Und traumatisiert von Ausgangsperren im Pandemie-Modus zieht Freiheitsdrang nach Platz, nach Freiräumen und die Nähe zur Natur immer mehr Leute aus den Betonschluchten heraus. Statements wie: „Wenn ich den ganzen Tag vor dem Rechner verbringe, Planungen, Telkos, Videokonferenzen…..da sehne ich mich mal danach schmutzige Hände vom Unkrautjäten, Gemüse einpflanzen oder Holz hacken zu haben.“ hört man vermehrt.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Das steigende Interesse an Immobilien auf dem Land birgt aber auch Konfliktpotential. Die Monate seit Beginn der Corona-Krise werden von Immobilien-Maklern als „absolut crazy“ bezeichnet. „Ungefähr ab März 2020 sehen wir eine Nachfragemenge, die ich in meiner 30jährigen Karriere in diesem Sektor noch nie erlebt habe“, sagt Birgit Schramm, Maklerin in der sächsischen Eilenburg. „Sogar bisher als fast „unverkäuflich“ geltende Objekte werden gekauft, Hauptsache, Zuganbindung und Internet“, bestätigen Mitarbeiter der Immobiliensparte der Saalesparkasse im Sachsen-Anhaltinischen Merseburg.
Die Makler berichten von fünfzig Anfragen innerhalb einer Stunde für unsanierte Gebäude. Käufer aus den Städten treten zunehmend in Konkurrenz zu lokalen Interessenten und sind zudem in der Lage und auch bereit überhöhte Preise zu zahlen. Und auch die in der Corona-Situation zunehmend aggressivere Stimmung der Menschen in Bieterwettbewerben ist so noch nie dagewesen.
Makler in Mecklenburg berichten „Die Mecklenburger kaufen hier nicht mehr, denen ist es zu teuer.“ Stattdessen kommen die Käufer aus Hannover, Kassel und sogar aus dem Ruhrgebiet und sind bereit Liebhaberpreise zu zahlen. „Für die ist es bei uns noch richtig günstig.“ Es wird von Käufen via Telefon oder Internet berichtet „ungesehen, nicht begutachtet, sofort gekauft“.
Natürlich sind die Einheimischen von solchen Entwicklungen nicht begeistert, denn es treibt nicht nur die Preise immer höher. Ein Haus, das als Zweitwohnsitz genutzt wird, wie man derartiges Kapitalparken gern bezeichnet, steht auch die meiste Zeit des Jahres leer. Der Nachfragetrend trifft auf ein immer knapper werdendes Angebot. In Erwartung weiterer Preissteigerungen halten sich Verkäufer taktisch immer weiter zurück.
Bleibt zu hoffen, dass das derzeitige Interesse eine echte Trendwende zugunsten der Dörfer ist. Aus ökonomischer und ökologischer Sicht, ist der Trend zur Verstädterung unaufhaltsam. Aber, dass Virus hat uns gezeigt welche Nachteile dichtbesiedelte Siedlungsräume besitzen. Vielleicht ist die Investition in eine Immobilie auf dem Land ja doch mehr als eine Geldanlage. (gdc)